Um Faserlege-Wissen aus dem Flugzeugbau für den Strukturleichtbau in die Architektur zu transferieren, wurde interdisziplinär geforscht. IFB, ITKE und IGVP bündelten ihr Fachwissen, um das Tailored Fibre Placement Verfahren für die Architektur nutzbar zu machen. Ein spezieller Fokus lag hierbei auf dem Einsatz bio-basierter Materialien.

Das textile Preforming-Verfahren Tailored Fibre Placement (TFP) sollte auf architektonische Anwendungen übertragen und Entwurfsmethodiken darauf angepasst werden. TFP wird klassischerweise in Luftfahrtanwendungen oder in Sonderlösungen für strukturelle hochbelastete Bauteile angewandt. Es ist ein extrem energiearmes Verfahren zur endkonturnahen und lastpfadgerechten Faserablage, das für Stückzahl 1 bis zur Großserie eingesetzt wird. Verstärkungsfasern waren Flachsfasern, die sowohl ausreichend und in technisch hoher Qualität verfügbar sind, als auch ähnliche mechanische Kennwerte aufweisen wie Glasfasern.

Biologisch abbaubares Material
Als Matrix wurden u. a. teilweise-biobasierte Epoxidharze verwendet. Diese erfüllen zwar die mechanischen Anforderungen und sind teilweise CO2-neutral, sind aber, wie erdölbasierte Varianten, nicht biologisch abbaubar. Ein ökologischer Plus ist, dass nun mithilfe des IGVP erstmals das neue Matrixsystem Chitosan in einem wasserbasierten Verfahren eingesetzt werden konnte. Dieses Polymer basiert auf Chitin, dem weltweit zweithäufigsten Biopolymer, das vor allem in Pilzen und Schalentieren vorkommt und biologisch abbaubar ist.

Design und Fertigung
Moderne, individuelle Bauwerksgeometrien wurden durch parametrische Konstruktionen berücksichtigt. Parallel wurden werkzeuglose Aushärteverfahren und/oder adaptive Werkzeugformen entwickelt. Sie machen dieses Prinzip erst möglich, da jedes einzelne Bauteil einer Gesamtstruktur eine andere Geometrie aufweisen kann. 

Die Designprozesse sind auf geringsten Materialeinsatz sowie auf Formgebung ohne komplexe Werkzeuge ausgelegt und berücksichtigen die Fertigungsrandbedingungen von TFP. Die Algorithmen zur Berechnung der Faserpfade und Geometrien basierten auf bionischen Strukturen und physikalischen Prinzipien. Besonders die erfolgreiche Anwendung des Prinzips der gekrümmten Faltung ist hervorzuheben, da es die Herstellung ebener Preforms zulässt, die dann ohne hohe Umformgrade in mehrfach gekrümmte Strukturen überführt werden können.

Material der Zukunft: Biologisch abbaubares Fassadenpaneel aus Flachs mit Chitosanmatrix
Prototyp Flachs-Hocker, diverse parametrische Designs

Im Rahmen einer engen Kooperation arbeiteten Forschende und Studierende dreier Institute der Universität Stuttgart in den vergangenen fünf Jahren gemeinsam an neuen Konzepten, Verfahren und Materialien zur Herstellung nachhaltiger architektonischer Leichtbauelemente.
Partner waren: 1) das Institut für Flugzeugbau (IFB), 2) das Institut für Tragkonstruktionen und konstruktives Entwerfen, Abteilung Biobasierte Materialien und Stoffkreisläufe in der Architektur am Institut für Tragkonstruktionen und konstruktives Entwerfen (BioMat am ITKE) und
3) das Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie (IGVP).

Werkzeugloses Aushärtekonzept und Faltung eines Flachs-Hockers

Kontakt:

Universität Stuttgart | www.uni-stuttgart.de
Institut für Flugzeugbau (IFB)
Institut für Tragkonstruktionen und konstruktives Entwerfen (ITKE-BioMat)
Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik+ Plasmatechnologie  (IGVP)