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Dr. Bastian Brenken

Clustergeschäftsführer

Composites United e.V. –
CU Nord

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Faserverbundwerkstoffe in der Luft- und Raumfahrt

Faserverbundwerkstoffe bestehen aus Verstärkungsfasern (kurz, lang oder endlos) und einer Kunststoffmatrix (Thermoplast oder Duroplast). Die Matrix umgibt die Fasern, die durch Adhäsiv- oder Kohäsivkräfte an die Matrix gebunden sind. Faser-Kunststoff-Verbünde weisen hohe spezifische Steifigkeiten, Korrosionsbeständigkeit und Festigkeiten bei geringem Gewicht auf. Die mechanischen und thermischen Eigenschaften von Faser-Kunststoff-Verbünden können über eine Vielzahl von Parametern eingestellt werden.

Neben einer Vielzahl von anspruchsvollen Aufgaben haben die Flugzeughersteller derzeit vordringlich die Energie- und CO2-Problematik zu lösen. Mit erfolgreichster Ansatz heute: Der Leichtbau und damit der Einsatz leichter, hochsteifer und alle luftfahrttechnisch relevanten Sicherheitsanforderungen erfüllender Werkstoffe. Und das sind heute eben hauptsächlich die Faserverbundwerkstoffe aus Carbon.

Historische Entwicklung

Extreme Fortschritte wurden hierzu Ende der 1950er-Jahre erzielt. Universitätsinstitute in Stuttgart, Akaflieg und weitere Kooperationspartner entwickelten „Phönix“, das erste Segelflugzeug aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Reduziertes Gewicht und extrem verbesserte aerodynamische Eigenschaften ermöglichten bis dahin nicht erreichbare Flugleistungen und extreme Gleitzahlen.

Die Firma Grob dagegen baute den ersten Motorsegler, der aus GFK gefertigt wurde. Die Ingenieure der Grob Aircraft AG haben ihn konstruiert und er wurde in Mindelheim gefertigt. Die Entwicklung des mittlerweile nicht mehr hergestellten Flugzeugs begann 1979 und bekam 1981 zunächst die Musterzulassung als Grob G109A.

Boeing und Airbus begannen Anfang der 1970er-Jahre erste CFK-Komponenten in verschiedenen Mustern zu erproben und zu verbauen. Vorläufiger Höhepunkt mit CFK-Anteilen 50 und mehr Prozent sind der Dreamliner und der A350.

Gewinn für die Umwelt

Seit 1990 haben die deutschen Fluggesellschaften ihren Treibstoffverbrauch pro Passagier auf 100 Kilometer um 42 Prozent verringert. Beeindruckend, denn 1990 lag dieser Wert noch bei 6,3 Liter. Im Jahr 2013 verbrauchte die Flotte der deutschen Fluggesellschaften – auch in Folge der Gewichtsreduzierung – durchschnittlich nur noch 3,64 Liter pro Passagier für diese Strecke.

Reduziertes Gewicht durch Leichtbau reduziert den Treibstoffbedarf unmittelbar. Zudem gibt es weitere Effekte: Leichtere Flugzeuge kommen mit filigraneren Fahrwerken und kleineren Tanks aus. Das kompensiert zum Teil die Mehrkosten der Material-Substitution durch Faserverbundwerkstoffe.

Übergeordnete Zielsetzung der Entwickler: Für alle Baugruppen und Komponenten das leichteste, aber am besten geeignete Material zu bestimmen. Der neue Airbus A350 besteht aus 52 Prozent Faserverbundwerkstoffen, 20 Prozent Aluminium-Legierungen, 14 Prozent Titan, 7 Prozent Stahl und 7 Prozent sonstiger Werkstoffe.

Einsatzbereiche

Im Flugzeuginnenraum haben sich glasfaserverstärkte Kunststoffe, im Flugzeugrumpf die Carbonfaserverbundwerkstoffe (CFK) mittlerweile fest etabliert. Beim Airbus A380 waren es zunächst 22, bei der Boeing 787 (Dreamliner) sind es jetzt bereits 50 Prozent. Für den A350 wird der Wert noch einmal auf 52 Prozent gesteigert. Mit dem A380 begann also diese Entwicklung. Seiten- und die Höhenleitwerke, Landeklappen, Vorflügel und Rippen in den Tragflächen, die drucklose Rumpfhecksektion und die Druckkalotte sowie der Flügelmittelkasten wurden aus CFK hergestellt. Die Gewichtsersparnis, abhängig vom jeweiligen Einsatzort: 20 bis 50 Prozent gegenüber herkömmlicher Bauweise. Dazu kommen deutliche Vorteile gegenüber Aluminium bei Ermüdung, Wärmeausdehnung und Korrosionsbeständigkeit.

Optimierte Konstruktion

Erster Schritt dieser Entwicklung: Rumpfkonstruktionen mit Hybridstrukturen. Sie bestanden beispielweise aus einer CFK-Außenhaut mit Aluminiumspanten oder Kombinationen aus CFK-Außenhaut, Titanblechen und CFK-Stringern. Für Boden, Fensterrahmen und Kabinentüren kamen wieder andere Werkstoffe zum Einsatz.

Dann kamen und kommen Halbzeuge aus Endlosfasern in thermoplastischer Matrix – Organobleche – immer häufiger zum Einsatz. Sie können wie metallische Bleche umgeformt und gefügt werden. Durch den hohen Faseranteil und Orientierungsgrad absorbieren sie deutlich mehr Energie und ermöglichen Gewichtseinsparungen von über 50 Prozent gegenüber Aluminium. Zudem sind sie sehr flächensteif und korrosionsfrei. Sie können mittels Thermoformverfahren umgeformt werden. Sie werden dazu auf die Schmelztemperatur der Matrix erhitzt und dann unter niedrigem Druck in die gewünschte Form gebracht. Die Werkzeuge zum Tiefziehen sind kostengünstig. Ebenso entfallen die zusätzlichen Kosten für den Korrosionsschutz.

Der größte Teil der heute gebräuchlichen Hochleistungsfasern (HT/IM) für CFK-basierte Strukturen wird durch Pyrolyse unter Schutzgas aus Polyacrylnitril gefertigt. Sie sind hoch zugfest. Man unterscheidet Niederfilament- und Multifilament-Garne (HeavyTow), die am kostengünstigsten herstellbar sind.

Gängig sind die Filament-Typen mit 67tex (1K), 200tex (3K), 400tex (6K), 800tex (12K), 1600tex (24K), 48K, 50K bis 80K. Die Bezeichnung 200tex steht dabei für ein Gewicht von 200 g pro 1.000 m Garn und 1K bedeutet, dass 1.000 Einzelfasern zu einem Strang zusammengefasst sind.

Die gröberen Garne kommen beispielsweise als Verstärkungsfasern für flächige Bauteile zum Einsatz. Im Flugzeugbau werden mit Harz vorimprägnierte Garnscharen oder Gewebe (Prepregs) mit geringem oder mittlerem Flächengewicht verwendet und maschinell in die Formen abgelegt.

Die Ablegegeschwindigkeit solcher Fiberplacement- und Tapelayer-Maschinen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Fertigung großer Rumpf- oder Flügelschalen dauert aber immer noch mehrere Tage. Die Maschinenhersteller arbeiten daran, die Ablegeraten von heute (10 kg/h) auf etwa 100 kg/h zu steigern.

Nach dem Ablegen der vorimpragnierten Fasern werden die Bauteile im Autoklaven bei definierten Temperatur- und Druckbeaufschlagung (+/- 180 °C und ca. 10 bar) ausgehärtet.

Der Einsatz von CFK ist bis jetzt nur in den Bereichen möglich, in denen die Umgebungstemperatur es zulässt. Im vorderen Segment des Triebwerks zum Beispiel: Fan-Modul oder Teile des Housing werden zunehmend aus Faserverbundwerkstoffen gefertigt. Gewichtsvorteile, hohe Festigkeit, lange Lebensdauer und reduzierte Kosten sprechen hier für diese Werkstoffe.

Anforderung Serienfertigung

Im Vergleich zur Serienfertigung im Automobilbau sind die in der Luftfahrt-Industrie geforderten Stückzahlen und Taktraten kleiner. Aus Kostengründen müssen die Prozesse in Zukunft aber effizienter und die Qualität gesteigert werden. Also ist ein höherer Automatisierungsgrad zwingend. Das Leichtbaupotential der eingesetzten Werkstoffe muss optimal genutzt und dessen Gestaltungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden. Gefordert sind Fertigungsverfahren für hochintegrale, endkonturnahe, nachbearbeitungsfreie Bauteile, die kostengünstig zu montieren sind.

Im Detail

Derzeit gibt es viele Felder und Stellschrauben, die in Forschung und Produktionstechnik Ansätze entwickeln, um die Serienproduktion zu optimieren:

Entwicklung neuer Harze: Gesucht wird nach Harzen mit höherer Viskosität für mehr Festigkeit, und Risszähigkeit des Werkstoffs.
Schnellere Aushärtung: Erforscht werden Verfahren, die schnellere Ergebnisse wie im Autoklaven ermöglichen. Erprobt werden dazu Mikrowellen und das Induktionsverfahren.

Optimale Strukturauslegung: Die CFK-spezifische Strukturauslegung hat großes Potential, da hier zusätzlich Gewicht eingespart werden kann. Die engere Verzahnung und parallele Entwicklung von FVK-Werkstoffen, Bauteilgeometrien und Fertigungsprozessen liefern hier erste verwertbare und umsetzbare Ergebnisse.

Automatisierung: Der erweiterte Einsatz der Robotik und die Perfektionierung des automatisierten Ablegens der textilen Preforms – das Fiber/Tape-Placement – haben hohes, kostensenkendes Potential.

Neue Fügetechniken: Gesucht wird nach neuen Wegen, Strukturteile zu Fügen, vor allem das Kleben steht hier im Mittelpunkt des Interesses.

Vorteile von CFK für die Luftfahrt

Wenn Massen bewegt werden, tragen Gewichtseinsparungen wesentlich zu höheren Wirkungsgraden bei. CFK hat ein effektives Leichtbaupotential. Bei optimalem, CFK-gerechtem Design kann mit diesem Werkstoff gegenüber Stahl eine Gewichtsreduzierung von bis zu 70 Prozent, gegenüber Aluminium von bis zu 30 Prozent realisiert werden.

Zudem ermöglicht die belastungsgerechte Anordnung von Verstärkungsfasern in einer Kunststoffmatrix dem Design neue Dimensionen. Ein weiterer Vorteil: Durch Berücksichtigung der tatsächlich auftretenden Belastungen im Bauteil kann das Material beanspruchungsgerecht eingesetzt und dadurch das Strukturgewicht weiter reduziert werden.

Nachgefragte Mengen

Der größte Anteil der nachgefragten Mengen entfällt auf die Flugzellen und den Rumpf: 2013 knapp 14.400 t. Auch in der Kabine wurde viel Kunststoff verbaut, insgesamt 12.400 t. Insgesamt kamen im Jahr 2013 knapp 51.150 t Kunststoff in Flugzeugen zum Einsatz. Laut Expertenprognosen werden es im Jahr 2020 mit gut 112.500 t fast doppelt so viel sein. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 12 Prozent.

Industriepolitische Bedeutung

Airbus und Boeing dominieren als Systemhersteller den zivilen Flugzeugbau. Sie gelten als Impulsgeber für die gesamte Branche. Die Kernkompetenzen der deutschen Airbus liegen in der Produktion von Rumpf, Rumpfstrukturen und Kabinenausstattung. Die aus EADS/Airbus hervorgegangene Premium Aerotec GmbH (ein CU-Mitglied) ist mittlerweile ein weltweit führender Strukturhersteller, hat hohe CFK-Kompetenz und ist hier Lieferant erster Ordnung. Im Bereich Kabinenausrüstung agiert die Diehl Aircabin GmbH global und höchst erfolgreich. Deutsche KMU gelten international als hochspezialisiert und innovativ und besetzen in ihren jeweiligen Lieferketten starke Positionen.

Gesellschaftliche Bedeutung

Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist eine wichtige Hochtechnologiebranche in Deutschland. Der gesamte Sektor erwirtschaftete 2012 einen Umsatz von 28,4 Mrd. Euro (ein Plus von 10,3 Prozent gegenüber 2011) und konnte damit die kontinuierliche Wachstumsentwicklung der letzten Jahre noch steigern. Auch die Mitarbeiterzahlen in den Unternehmen der sind weiter gestiegen, 2012 wurden insgesamt 100.700 Menschen (+3,4 Prozent) in der Branche beschäftigt. Etwa zwei Drittel des Umsatzes und der Beschäftigten entfallen auf den Sektor der zivilen Luftfahrt.

Umweltpolitische Bedeutung

Der kommerzielle Luftverkehrsmarkt wird weiter wachsen. Das Flugverkehrsvolumen verdoppelt sich etwa alle fünfzehn Jahre. Bis 2030 rechnet Airbus weltweit mit etwa 28.000 neuen Passagier- und Frachtflugzeugen, im Schnitt über 1.400 pro Jahr. Um die aus diesem Wachstum resultierende Steigerung des Kerosinverbrauchs, der Emission von Treibhausgasen und der Lärmbelastung zu begrenzen, haben sich die Verantwortlichen in Industrie, Wissenschaft und Politik im Rahmen des Advisory Council for Aeronautics Research in Europe (ACARE) auf folgende Ziele verständigt: Ein Verkehrsflugzeug soll im Jahr 2020 (im Vergleich zum Stand im Jahr 2000) 50 Prozent weniger CO2 und 80 Prozent weniger Stickoxide (NOx) ausstoßen, sowie 50 Prozent weniger Lärm verursachen. Das ist aber nur realisierbar, wenn der Einsatz leichter Werkstoffe wie CFK weiter und konsequent vorangetrieben wird.

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