Für die Herstellung von FVK-Bauteilen werden i.d.R. Hochmodulfasern (z.B. Carbon-, Glasfasern) zu Verstärkungstextilien (z.B. Gewebe, Gelege) verarbeitet und anschließend in eine Kunststoffmatrix eingebettet. Sog. Tape-Gewebe stellen eine Variante dieser Verstärkungstextilien dar und weisen ggü. konventionellen Halbzeugen ein besonders hohes Leichtbaupotential auf. Für die Herstellung der Tape-Gewebe werden die Rovings zunächst durch Aufspreizen zu Tapes verarbeitet, wodurch das Flächengewicht des Halbzeugs reduziert wird. Tape-Gewebe weisen auf Grund der vorherigen Spreizung wesentlich größere Einheitszellen (kleinste, sich wiederholende Einheit der textilen Architektur) auf als konventionelle Verstärkungstextilien [1].

Aufgrund der großen Tape-Breite und Einheitszellengröße ist die Ermittlung der Materialkennwerte nach den bestehenden Normen wie der ASTM D6856 und DIN ISO 527-4 jedoch oft nicht möglich. Eine normgerechte Prüfung übersteigt die zulässigen Prüfkräfte (ca. 100 kN) und Probekörpergrößen (ca. 100 mm) der marktüblichen Prüfmaschinen [1,2]. Die Unsicherheit hinsichtlich der mechanischen Kennwerte führt zu der branchentypischen Überdimensionierung der Bauteile und damit zu einem ineffizienten und teuren Materialeinsatz.

Im Projektvorhaben TaGeT (Entwicklung neuer standardisierter Prüfverfahren und Drapiersimulationen zur Auslegung von Leichtbaustrukturen aus Tape-Geweben) erfolgt daher die Entwicklung einer Prüfvorrichtung sowie einer Prüfvorschrift für die Ermittlung zuverlässiger und realitätsnaher Materialkennwerte von FVK aus Tape-Geweben. Die damit mögliche optimierte Bauteilauslegung soll Materialkosten einsparen und damit die Vorteile von Tape-Geweben vollumfänglich ausschöpfen.

Auf der JEC World* 2023 haben sich die beiden Projektpartner Grasse Zur Composite Testing (vertreten durch Dr. Fabian Grasse) und das Institut für Textiltechnik ITA der RWTH Aachen (vertreten durch Patrick Böhler) zusammen mit dem assoziierten Partner C. Cramer & Co. (vertreten durch Dr. Christopher Lenz) getroffen. Auf dem Messestand von C. Cramer & Co. konnten die ausgestellten Produkte in Augenschein genommen werden. Auf Grundlage der Verfügbarkeit der breiten Tape-Gewebe und der Produktionsplanung für Q3/2023 und Q4/2024 wurde eine Vorauswahl für die zu prüfenden Gewebe getroffen. Diese Vorauswahl bildet die Grundlage für die Gespräche mit dem Projektpartner Alpha Sigma, der aus den Tape-Gewebe die Prüflaminate im Infusionsverfahren fertigen wird. Diese Prüflaminate bilden den Status-Quo für die Entwicklung neuer Prüfverfahren und stellen somit den Ausgangspunkt für die experimentellen Untersuchungen im Projekt TaGeT dar.

Links Tape-Gewebe in Leinwandbindung 8 mm Tape-Breite, Rechts Tape-Gewebe in Panamabindung 12,5 mm Tape-Breite. Bild: Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University

 

*Die JEC World ist die weltweit wichtigste Messe für faserverstärkte Kunststoffe, Composites und Verbundwerkstoffe und findet jährlich in Paris statt. Die Veranstaltung bringt nicht nur alle großen globalen Unternehmen zusammen, sondern auch innovative Startups im Bereich Verbundwerkstoffe und fortschrittliche Materialien sowie Experten, Akademiker, Wissenschaftler und Führungskräfte aus F&E. Auf der Messe sind alle für Verbundwerkstoffe wichtigen Branchen wie Luft- und Raumfahrt, Windkraft, Automobilindustrie, Schifffahrt und Bauwesen vertreten. Die JEC World versammelt die gesamte Wertschöpfungskette der Verbundwerkstoffindustrie (Faserhersteller, Faserverarbeiter, Harzhersteller, Anwender, Endkunden). Mit Bezug auf das Forschungsvorhaben waren mehrere Hersteller von breiten Tape-Geweben wie z.B. C. Cramer & Co. GmbH, Oxeon AB und Blackfabric auf der Messe vertreten.

 

Danksagung:

Das Forschungsvorhaben wird im Rahmen des Technologietransfer-Programms Leichtbau (TTP LB) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

 

Kontakt:

Jan Patrick Böhler, M.Sc. (Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University)
patrick.boehler@ita.rwth-aachen.de
www.ita.rwth-aachen.de

Dr.-Ing. Fabian Grasse (Grasse Zur Composite Testing)
fabian.grasse@grassezur.de
www.grassezur.de

Dipl. Ing. Fabian Liesch (Alpha Sigma GmbH)
fabian.liesch@alpha-sigma.eu
www.alpha-sigma.eu

 

Quellen:

[1] Ohlsson, F.: Weight reduction by optimized reinforcement structures. In: Njuguna, J. (Hrsg.): Lightweight Composite Structures in Transport – Design, Manufacturing, Analysis and Performance. Cambridge, UK: Elsevier, 2016, S. 191-215

[2] Wuttke, J. Test Consultant und Ehemaliger Mitarbeiter bei MTS Systems: Interview über die Verbreitung von Prüfmaschinen, 06.09.2021