Verbundwerkstoffe spielen in vielen Anwenderbranchen eine zunehmende Rolle. Composites United (CU) – das führende Netzwerk für faserbasierten hybriden Leichtbau – hatte seine Mitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter aus der Offshore-Industrie und der Energiebranche am 05. Juni 2023 zum Dialog eingeladen.

Die Nordsee wird sich in den nächsten Jahren zum Kraftwerk Europas entwickeln. Laut Wirtschafts- und Energieminister Habeck ist der Ausbau der Offshore-Windkraftanlagen eine Mammutaufgabe. Gezeitenkraftwerke sind eine weitere regenerative Offshore-Energiequelle. Technologien Made in Germany kommen weltweit in der maritimen Gas- und Ölförderung zum Einsatz. Die CCS-Technologie – das Verpressen von CO2 in alten Gas-, Ölfeldern oder geeigneten Gesteinsschichten – wird aktuell von den Nordseeanrainern forciert.

Versorgungsleitungen, Pumpen und andere Aggregate stellen hohe Anforderungen an Korrosionsbeständigkeit, Temperatur und Steifigkeit. Hier können Verbundwerkstoffe ihre Materialeigenschaften als Innovationstreiber ausspielen.

Rund 30 Teilnehmende tauschten sich mit den Referenten aus, die zunächst ihre Innovationsprojekte und Ihre Einschätzungen zu den Anforderungen und Chancen von Verbundwerkstoffen in der Offshore-Industrie vorstellten:

Rotorblätter aus Faserverbund – Gezeitenkraftwerke werden so leistungsfähig!

Referent: Gregor Müller, M&D Composites Technology GmbH

Die M&D Composites Technology GmbH ist seit 25 Jahren innovativer Entwicklungs- und Fertigungsdienstleister für Composite Technologien, mit Sitz in Friedeburg bei Wilhelmshaven. Die Leidenschaft, die Technik und das Know-how für diese Technologie kommt aus der Luftfahrt. Für die Industrie ist das Unternehmen Partner über die gesamte Prozesskette. Von der Produktidee über die Produktplanung und Entwicklung über die Herstellung von Composite-Teilen sowie Halbzeugen bis zur mechanischen Bearbeitung und Expertenschulung. Vom Kleinteil bis zur Großserie.

Bild: M&D Composites Technology GmbH

Gezeitenkraftwerke sind mit bis zu 7.000 verlässlichen Vollaststunden gegenüber 1.000 bei Photovoltaik und 2.000 bei Windkraft grundlasttauglich. Geeignete Standorte müssen eine ausreichende Tiefenströmung haben. Die Rotorblätter haben etwa 2 m Durchmesser und sind aus voll-CFK gefertigt, um die Lasten aufzunehmen. Eine Anlage mit 7 Turbinen liefert 420 Kwh. Die Anlagen richten sich selbständig in der Strömung aus. Die Rotorköpfe sind absenkbar und die Wartung ist aufgrund des geringen Gewichts unproblematisch. Gegen die abrasiven Kräfte durch Sedimente konnten Oberflächenbeschichtungen aus dem Segelflug genutzt und gezielt weiterentwickelt werden. Mit einer Serienfertigung von Anlagen lässt sich ein tragfähiges Geschäftsmodell darstellen. Der politische Wille und die notwendigen Rahmenbedingungen könnten Gezeitenkraftwerken zum Durchbruch verhelfen.

Rohre und Rohrsysteme aus Faserverbund – Möglichkeiten und Herausforderungen

Referent: Prof. Jens Ridzewski, IMA Materialforschung und Anwendungstechnik GmbH

Die IMA Materialforschung und Anwendungstechnik GmbH, kurz IMA Dresden, ist ein unabhängiges, zertifiziertes und akkreditiertes Prüfzentrum. Die IMA ist eine international anerkannte Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle für Hersteller und die gesamte Zulieferindustrie, um neue Entwicklungen schneller marktfähig zu machen. Wo immer es um Festigkeit, Validierung oder Materialkenndaten geht, bündelt IMA Dresden die Kräfte in Sachen Prüfnormen, Zulassungsprüfungen und experimentelle Untersuchungen.

Das IMA gehört zu den größten Prüfstellen für die Offshore-Industrie. Prof. Ridzewski sieht drei große Anwendungsbereiche für Rohre aus Verbundwerkstoffen:

  • Die konventionelle Gas- und Ölförderung bohrt bis 6.000 m in den Meeresboden. Dort werden Temperaturen bis 260 Grad erreicht. Obwohl wir vom Gas- und Öl weg wollen, sind weltweit noch 6.500 Förderanlagen in Betrieb. Öl und Gas werden bereits auf dem Meeresgrund gereinigt und aufbereitet. Stahlrohre sind aufgrund ihrer geringen Korrosionsbeständigkeit wenig geeignet.
  • Kunststoffrohre kommen beim Verpressen von CO2 in stillgelegten Offshore-Öl- und Gasfeldern zum Einsatz.
  • Deep-Sea-Mining auf 3.500 bis 6.000 Metern, bietet großes Potenzial für die Förderung von Metallen und seltenen Erden.

Kunststoffrohre bieten durch Flexibilität und Korrosionsbeständigkeiten eine Performance, die sich mit Stahlrohren nicht realisieren lässt. Die Materialien müssen für die hohen Anforderungen, insbesondere hohe Temperaturen und Korrosion, weiter optimiert werden.

CFK-Trag- und -Stabstrukturen für Rotorflügel und Gittermasten – Es lohnt sich!

Referent: Dr. Dirk Büchler, BaltiCo GmbH

Die BaltiCo GmbH, ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Hohen Luckow bei Rostock, ist ursprünglich mit der Entwicklung und Fertigung von Schiffspropellern aus faserverstärkten Kunststoffen gestartet. Mit dem Contur® Propeller entstand der weltweit erste Schiffspropeller aus Faserverbundwerkstoff bei BaltiCo. Die BaltiCo versteht sich als hochinnovativer Dienstleister und Produzent auf dem Gebiet der Faserverbundwerkstoffe. Kern der Produktionstätigkeit ist die Faser-Wickel-Technologie. Sie wird zur Fertigung rotationssymmetrischer Composite-Bauteile und zur Verstärkung von hoch beanspruchten Komponenten eingesetzt.

Mit der Stablegetechnologie von BaltiCo können Strukturen in Additiver Fertigung erstellt werden und dabei Rohmaterial einspart und Abfall vermieden werden. Um am Markt akzeptiert zu werden, wurden zunächst unterschiedlichste Prototypen für verschiedene Anwendungen entwickelt. Türme (wie Stahlgittermasten) benötigen ein Zehntel an Material, können vollautomatisch gefertigt werden und benötigen keine Verzinkung. Hohe Korrosionsbeständigkeit, Langlebigkeit und das geringere Gewicht bei Transport und Aufstellung, sind weitere Vorteile. Die Materialien lassen sich am Ende der Lebenszeit gut trennen. Bisher wurden Windkraftflügel für 200-300 Anlagen produziert. Mit der Industrialisierung der Fertigung lassen sich künftig größere Anlagen realisieren.

Im Anschluss erfolgte eine intensive Diskussion aller Teilnehmenden mit den Referenten, wobei viele Aspekte aufgegriffen und vertieft wurden. Die Aufzeichnung der Veranstaltung können Sie auf dem YouTube-Kanal des Composites United anschauen: https://youtu.be/IxuqMMv7DZg

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Die nächsten Termine unserer Reihe sind:

  • 04. September 2023 „Verbundwerkstoff trifft E-Mobilität“ und
  • 04. Dezember 2023 „Verbundwerkstoff trifft Chemie und Anlagenbau“

Programm und Einladung finden Sie frühzeitig auf der CU-Internetseite. Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Heinz Kolz, CU West, heinz.kolz@composites-united.com
Dr. Thomas Heber, CU Ost, thomas.heber@composites-united.com
Dr. Bastian Brenken, CU Nord, bastian.brenken@composites-united.com
Denny Schüppel, Ceramic Composites, denny.schueppel@composites-united.com