Der Einsatz thermoplastischer Hochtemperaturkunststoffe in Kombination mit einem effizienten Umformprozess mit direkter Funktionsintegration ermöglicht es, selbst komplex geformte Strukturbauteile für Luftfahrtanwendungen in einer Zykluszeit von weniger als vier Minuten herzustellen. Das ist das Ergebnis eines öffentlich geförderten Kooperationsprojekts mit Beteiligung der Neue Materialien Bayreuth GmbH.
Sind Laminate aus UD-Tapes in thermoplastischer Matrix mit direkt angespritzter Funktionsintegration auch für die Luftfahrtindustrie zur Herstellung komplex umgeformter Strukturbauteile geeignet? Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich das kürzlich erfolgreich abgeschlossene Verbundprojekt HELUES.
Im Mittelpunkt stand dabei ein einstufiger Prozess, bei dem direkt nach dem Thermoformen des thermoplastischen Laminats über einen Spritzgießprozess (One-step-Overmolding) Funktionselemente, wie Verstärkungsrippen und Schraubdome, aufgebracht werden. Durch eine solche Prozesskombination aus Umformen und Funktionsintegration kann das gesamte Bauteil in einem einzigen Schritt gefertigt werden, die Montageschritte der herkömmlichen Verfahren entfallen. Gleichzeitig verkürzt auch der Einsatz des thermoplastischen Materials, bei dem im Gegensatz zu Duroplasten kein Aushärtungsvorgang erforderlich ist, die Prozesskette. Auf diese Weise kann die Zykluszeit für der Herstellung hochwertiger Strukturbauteile signifikant reduziert und damit ein hohes Potenzial zur Kostenreduktion aufgezeigt werden.
Im Verbundprojekt wurde dieser Prozess auf die Herstellung eines Technologiedemonstrators aus UD-Tapes mit einer Matrix aus kohlefaserverstärktem Polyetherketonketon (PEKK) übertragen, der einer Baugruppe in einer Flugzeugnotausstiegstür entspricht. Dieser Technologiedemonstrator konnte mit Zykluszeiten von unter vier Minuten gefertigt werden, was einen bedeutenden Fortschritt in der Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Over-Molding-Technologie für Luftfahrtanwendungen darstellt.
Im Vordergrund der Arbeiten der NMB stand die Entwicklung einer Prozesskette für den einstufigen Umform- und Overmolding-Prozess – bestehend aus Handlingsystem, IR-Heizsystem und 450 t-Spritzgießmaschine – und die anschließende Herstellung des Technologiedemonstrators.
Weiterhin wurden in Vorversuchen im Labormaßstab die Grenzen der Verformung von Laminaten auf Basis von PEKK-CF untersucht, wobei der Einfluss der Prozessführung auf die Bauteileigenschaften im Fokus stand. Die Untersuchungen zur Anbindungsfestigkeit der angespritzten Funktionselemente konzentrierten sich auf die mechanischen Eigenschaften der Verbindung zwischen den Spritzgießrippen und den thermogeformten UD-Laminaten, wobei insbesondere das Anbindungsverhalten unter verschiedenen Prozessparametern detailliert analysiert wurde. Auch die Anbindung von rückseitigen Rippen, die durch Durchbrüche im Laminat angespritzt wurden, wurde untersucht.
Die aus diesen Materialversuchen gewonnenen Erkenntnisse zu Prozess- und Designgrenzen wurden in die Prozessführung bei der Herstellung des Demonstratorbauteils sowie in die Entwicklung des Demonstratorwerkzeugs übertragen. Auslegung und Bau der komplexen Umform- und Hinterspritzwerkzeuge mit Hochtemperaturanforderung und und die Entwicklung des Demonstratorbauteils auf einen fertigungsgerechten Stand verantwortete der Konsortialführer Siebenwurst.
Das Verbundprojekt „HELUES – Hocheffiziente Luftfahrt-Faserverbundbauteile aus unidirektionalen Einzellagen und Spritzgussfunktionalisierung“ wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) über eine Laufzeit von 36 Monaten gefördert. Projektpartner waren Christian Karl Siebenwurst GmbH & Co. KG und die Neue Materialien Bayreuth GmbH mit den assoziierten Partnern Airbus Helicopters Deutschland und Hexcel Composites GmbH.
Kontakt:
Neue Materialien Bayreuth GmbH
www.nmbgmbh.de
M. Sc. Daniel Hüser
E-Mail: daniel.hueser@nmbgmbh.de
