Verbundwerkstoffe spielen in vielen Anwenderbranchen eine zunehmende Rolle. Composites United (CU) – das führende Netzwerk für faserbasierten hybriden Leichtbau – möchte den Austausch mit Anwenderbranchen intensiveren und hierfür Mitglieder und Gäste aus verschiedenen Branchen ins Gespräch bringen, um Ideen für neue Anwendungen und neue Technologien zu diskutieren. Die Referentinnen und Referenten stellen ihre Projekte und Einschätzung vor und stellen sich der Diskussion mit den Teilnehmenden. Am 03. Juni 2024 hatte der CU zum Thema „Verbundwerkstoff trifft Elektrische Leichtfahrzeuge“ geladen. 40 Gäste nahmen am Online-Event teil und diskutierten technologische Herausforderungen, Funktionsintegration oder etwa Bauarten.
Elektrische Leichtfahrzeuge, auch Light Electric Vehicles (LEV) genannt, spielen eine zunehmende Rolle in der Mobilitätswende, besonders im innerstädtischen Verkehr. Nach EU-Vorgaben handelt es sich um Fahrzeuge mit einem Gewicht bis 450 kg ohne Batterie. Der deutsche Gesetzgeber unterscheidet einige Fahrzeugklassen mit unterschiedlichen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich Crashschutz. Die technischen Anforderungen sind insgesamt deutlich niedriger als für PKW.
Der Renault Twizy kam 2012 auf den Markt und ist heute das bekannteste Fahrzeug in dieser Klasse. Nach der Fahrzeugbauart unterscheidet man zwischen Micromobilen (Scooter und Boards), Zweirädern (E-Bikes, Lastenräder) und drei- und vierrädrigen Fahrzeugen. Hinsichtlich der Nutzung können Personen-und Nutzfahrzeuge unterschieden werden. Nutzfahrzeuge sind z. B. Kommunalfahrzeuge, Logistikfahrzeuge oder Fahrzeuge im Werksverkehr. Die Hersteller stehen vor der Herausforderung, qualitativ hochwertige und sichere Fahrzeuge bei geringem Gewicht anzubieten. Aus Sicht der Nutzer werden Transportleistung bei geringen Kosten, Sicherheit, Komfort und Design darüber entscheiden, wie sich diese Fahrzeuge sich im Markt durchsetzen.
Angesichts der Mobilitätswende – mit Tempo 30-Zonen und der Verbannung von Verbrennerfahrzeugen aus den Innenstädten – wird das weltweite Marktpotential auf 175 Mrd. Euro geschätzt, das sich bis 2030 verdoppeln sollte. Die größten Potentiale zeichnen sich in Asien ab.
„Angesichts der Anforderung an Leichtbau, Sicherheit, Nachhaltigkeit und Komfort haben Composites-Hersteller gute Chancen, ihre Kompetenzen in LEV-Entwicklungen einzubringen“, so Dr. Heinz Kolz, Clustergeschäftsführer CU West, in seiner Einführung.
Elektrische Leichtbaufahrzeuge – Technologische Herausforderungen
Referent: Torben Voelmy, Clustermanager Light Electric Vehicle Innovationscluster
Das Light Electric Vehicle Innovationscluster, kurz LEVI, ist ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördertes Innovationscluster für elektrische Leichtmobilität und wird aktuell von Annette Eni geleitet.
ARI 902 von ARI Motors GmbH
Die LEV-Branche, welche sich vom E-Tretroller über Pedelecs bis hin zum E-Leichtauto und Leicht-Lkw erstreckt, besteht vorwiegend aus kleinen und mittelständischen Unternehmen, von denen viele noch in der Start-up-Phase sind. LEVI listet aktuell 117 LEV-Hersteller aus Deutschland. LEVI versteht sich als Plattform für Wissensaustausch, Technologietransfer und Kooperationsvermittlung.
LEVI bieten Vorteile bzgl. der Zulassung, der Besteuerung und den Anforderungen an den Fahrer. Das Dreieck aus Kosten, Sicherheit und Gewicht zwängt Hersteller bei der Entwicklung in ein enges Korsett. Vor dem Hintergrund ihrer PKW-Erfahrungen erwarten die Nutzer die Umsetzung von hohen Anforderungen an Sicherheit und Komfort. Start-ups haben ihr Hobby zum Beruf gemacht und kommen oft nicht aus der Fahrzeugbranche. Deshalb muss das Grundverständnis für Sicherheit und für den Einsatz von Composites erst vermittelt werden. Um die Produkte aus dem Nischenmarkt in eine Serienproduktion zu führen, bedarf es standardisierter Teile, die von mehreren Herstellern verbaut werden können. Dem schließt sich die Entwicklung von Normen und Standards für die Branche an.
Leicht-KFZ „Charly“, Markus Ullrich
Mit Leichtigkeit zur Funktionsintegration – Holz-Naturfaser-Kunststoff-Verbundbauteile für den Karosseriebau
Referenten: Hans Ulrich Gruber, woodvelo Leichtfahrzeuge und
David Krieg, Institut für die Kreislaufwirtschaft der Bio:Polymere, Hochschule Hof
Die woodvelo Leichtfahrzeuge will nachhaltiges Fahren mit Spaß, Effizienz und Schutz bieten. Um wettergeschützt zu zweit mit Gepäck unterwegs zu sein, muss kein tonnenschweres Auto bewegt werden. Das Fahrzeug funktioniert wie ein E-Fahrrad. Die Karosserie ist eine Konstruktion aus Holz-Naturfaser-Kunststoff-Verbundbauteilen. Die Materialentwicklung wurde von David Krieg vom Institut für die Kreislaufwirtschaft der Bio:Polymere der Hochschule Hof unterstützt.
Die Vision von woodvelo besteht in der Entwicklung und Vermarktung eines Fahrzeugs in der 45km-Klasse mit Naturfaserverbundmaterien in Holzoptik als nachhaltiges Lifestyle-Produkt. Die Karosserie-Konstruktion ist eine eigene Entwicklung, alle weiteren Teile sind PKW- und Motorradserienteile. Ein Markteintritt ist für 2025 geplant. Während der Werkstoffentwicklung wurden unterschiedliche Materialien geprüft. Vitrimere, von den Materialeigenschaften zwischen Thermoplasten und Duroplasten angesiedelt, erfüllen die Anforderungen bzgl. Steifigkeit und Dauerfestigkeit.
Das EDAG Naturfaser E-Gravelbike
Referent: Niko Lehtonen, Team Leader Motorcycle & Bicycle EDAG Group
Die EDAG ist einer der großen Entwicklungsdienstleister in der Fahrzeugbranche mit hoher Kompetenz in Projekten für PKW und Nutzfahrzeuge. Das EDAG Naturfaser E-Gravelbike ist ein Projekt der Gruppe Motorcycle & Bicycle der EDAG.
E-Gravelbike von EDAG
Die EDAG hat ein Show Bike als Prototyp aus Naturfasern für die Eurobike entwickelt. Über eine Modellstudie soll ein serientaugliches E-Bike mit negativer CO2-Bilanz dargestellt werden. Steifigkeit und Dauerfestigkeit konnten mittels Simulation nachgewiesen werden. Das E-Gravelbike kann auf Design und Anforderungen eines Industriepartners angepasst und weiterentwickelt werden.
Hopper von Hopper Mobility
Der Hopper – Hybrid aus Auto und Fahrrad mit GFK-Vollverkleidung
Referent: Martin Halama, Entwickler, Hopper Mobility GmbH
Die Hopper Mobility ist ein Start-up mit Sitz in Hamburg. Ihr Produkt, der Hopper, ist ein Hybrid aus Auto und Fahrrad mit GFK-Vollverkleidung und verbindet die besten Eigenschaften aus beiden Welten – drei Räder, zwei Sitzplätze, ein Dach und einen Kofferraum.
Ein Fahrzeug mit allem, was man in der Stadt braucht. Käufer wünschen sich ein formschönes Fahrzeug zu einem attraktiven Preis. Dafür müssen die Kosten für einzelne Komponenten niedrig gehalten werden. Das wird durch geringe Komplexität, geringe Komponentenzahl und integrale GFK-Formbauteile erreicht. Die durchgehende Bodenplatte nimmt Antriebskomponenten und kinetische Kräfte auf. Der CO2-Fußabdruck soll durch eine spezifische Materialauswahl, z. B. mit regenerativen Glasfasern, weiter verbessert werden. Alle weiteren Entwicklungen sind immer umsetzungsorientiert und müssen sich im Kostenrahmen bewegen.
Diskussion
In der Diskussion wurden Kostenaspekte, die Sicherheit der Fahrzeuge aber auch die Recyclingproblematik als Schwerpunkte für die zukünftigen Entwicklungen herausgestellt. Mit dem Übergang zur Serienproduktion wird eine Kostenreduktion auf ca. 25 % angestrebt. Für den Hopper wurden Materialalternativen wie z. B. Naturfasern in der Diskussion herausgestellt. Weiterhin können über eine werkzeuglose Fertigung, 3-D-Druck, Kosten eingespart werden. Hierbei sollen die Fasern nur gezielt zur Verstärkung eingesetzt werden. Einen weiteren Schwerpunkt für zukünftige Entwicklungen stellen rezyklierte Kohlenstofffasern und wirtschaftliche rezyklierbare Matrixsysteme dar.
Die Aufzeichnung der Veranstaltung können Sie in Kürze auf dem YouTube-Kanal des CU anschauen: https://youtu.be/IYulmeHyTzs.
Quelle: Studie von e-mobil BW GmbH, Geschäftsstelle für E-Mobilität in BW
Der nächste Termin unserer Reihe:
9. September 2024 „Verbundwerkstoff trifft Bootsbau – Innovationsansätze für den Schiffbau“ (14.00 Uhr, digital)
Programm und Einladung finden Sie frühzeitig auf der CU-Internetseite.
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Heinz Kolz, CU West, heinz.kolz@composites-united.com
Dr. Thomas Heber, CU Ost, thomas.heber@composites-united.com
Dr. Bastian Brenken, CU Nord, bastian.brenken@composites-united.com
Denny Schüppel, Ceramic Composites, denny.schueppel@composites-united.com
Martin Kretschmann, CU in der Region Berlin-Brandenburg, martin.kretschmann@composites-united.com