Der zweitägige CU Innovation Day „Nachhaltige Produktion von Composites – Materialien & Ökoeffizienz“ am Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe in Kaiserslautern brachte Expertinnen und Experten zusammen, um innovative Ansätze für die nachhaltige Produktion von Composites zu diskutieren. Die Veranstaltung bot spannende Vorträge, eine Werksführung und zahlreiche Möglichkeiten zum fachlichen Austausch.

Am 12. und 13. November 2024 veranstaltete der Composite United (CU) in Kaiserslautern den Innovation Day „Nachhaltige Produktion von Composites – Materialien & Ökoeffizienz“. Organisiert wurde die Veranstaltung von der CU-Arbeitsgruppe „Biocomposites“ und dem AVK-Arbeitskreis „Naturfaserverstärkte Kunststoffe“, unterstützt durch den Gastgeber, das Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe (IVW). Im Mittelpunkt der Tagung standen die Themen nachhaltige Produktion, biobasierte Materialien und die Weiterentwicklung der Ökoeffizienz, die angesichts verschärfter regulatorischer Anforderungen an den CO₂-Fußabdruck immer wichtiger werden. Prof. Dr. Ulf Breuer, wissenschaftlicher Geschäftsführer des IVW, eröffnete die Veranstaltung und gab Einblicke in die Forschungsarbeit des Instituts, das mit 140 Mitarbeitenden entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Materialentwicklung bis zur Fertigung tätig ist. Mit rund 40 Teilnehmenden bot die Veranstaltung eine Plattform für Vorträge, Diskussionen, Networking und praktische Einblicke in die Arbeit des IVW durch eine Werksführung.

„Verbundwerkstoffe stehen in einen Wettbewerb mit anderen Werkstoffen. Die Tagungsthemen nachhaltige Produktion, biobasierte Materialien und die Entwicklung der Ökoeffizienz sind Schlüssel, um die Wettbewerbsposition, vor dem Hintergrund gesetzgeberischer Vorgaben zum Carbon Footprint zukunftsfähig zu entwickeln,“ so Dr. Heinz Kolz, Clustergeschäftsführer CU West, in seiner Begrüßung.

Prof. Dr. Ulf Breuer, wissenschaftlicher Geschäftsführer des IVW, eröffnete die Veranstaltung und gab Einblicke in die Forschungsarbeit des Instituts (Bild: IVW)
Dr. Heinz Kolz (Clustergeschäftsführer CU West, bei der Eröffnung des CU Innovation Day (Bild: IVW)

Keynote: Faser-Kunststoff-Verbunde – Ein Schlüssel für nachhaltige Leichtbau-Lösungen?

In der Keynote beleuchteten Prof. Dr.-Ing. Thomas Neumeyer und Dr. Barbara Güttler (beide IVW) zusammen mit Prof. Dr.-Ing. Luisa Medina (Hochschule Kaiserslautern) zentrale Ansätze zur Förderung nachhaltiger Leichtbaukonzepte im Sinne der Leichtbaustrategie der Bundesregierung. Diese setzt auf kreislauffähiges Design, innovative Fertigungsmethoden und geschlossene Materialkreisläufe, um Material- und Energieeinsparungen zu erreichen. Ein Kernpunkt ist die 9R-Strategie, die auf eine smarte Produktnutzung und eine Verlängerung der Lebensdauer durch Reparatur abzielt. Im Fokus steht zudem die Entwicklung ressourcenschonender Materialien wie Biopolymere, deren Markt bis 2030 um 10–24 % wachsen soll, sowie die Recyclingfähigkeit von Carbonfasern, um den energieintensiven Herstellungsprozess effizienter zu gestalten. Ergänzend wurden Naturfasern als Leichtbaumaterial hervorgehoben, insbesondere für Anwendungen in der Automobil- und Bauindustrie, wobei ein jährliches Marktwachstum von 5–7 % prognostiziert wird. Diese Entwicklungen verdeutlichen die Bedeutung innovativer, nachhaltiger Verbundwerkstoffe für die Zukunft des Leichtbaus.

Nachhaltige Materialien

Die erste Session der Veranstaltung widmete sich dem Thema „Nachhaltige Materialien“ und präsentierte richtungsweisende Ansätze zur Optimierung von Naturfasern und deren Anwendung in Verbundwerkstoffen. Holger Fischer vom Faserinstitut Bremen beleuchtete in seinem Vortrag „Qualitätssicherung für einheimische Naturfasern zum Einsatz in Naturfaser verstärkten Kunststoffen“ die Herausforderungen und Potenziale eines einheitlichen Qualitätsmanagements für Naturfasern. Er unterstrich die Notwendigkeit internationaler Standards, um die Verarbeitung und Anwendung von Bast- und Blattfasern effizienter zu gestalten.

Prof. Dr.-Ing. Luisa Medina von der Hochschule Kaiserslautern stellte im Vortrag „New HPC components based on sustainable textile products and bio-resins“ die Ergebnisse des EU-Projekts rLightBioCom vor, in dem Naturfasern und Basaltfasern hybridisiert wurden, um Verbundwerkstoffe mit optimierten Eigenschaften zu entwickeln.

Den Abschluss bildete der Beitrag „MDTA4 Prüfung: Trennung von krempelfähigen Fasern und Trash“ von Dr. Ulrich Mörschel (Textechno Herbert Stein GmbH & Co. KG). Er präsentierte innovative Prüftechnologien, wie den MDTA4, der mithilfe moderner KI-Systeme die Analyse und Reinigung von Naturfasern revolutioniert. Diese Entwicklungen verdeutlichen die Fortschritte und das Potenzial nachhaltiger Materialien für die Leichtbauindustrie.

Ökoeffiziente Produktion

Die zweite Session der Veranstaltung widmete sich unter dem Titel „Ökoeffiziente Produktion“ innovativen Strategien zur Förderung nachhaltiger Fertigungsmethoden. Hendrik Hahlbom vom Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) präsentierte in seinem Vortrag „Verarbeitung und Charakterisierung von PHA-Filmen (Waste2BioComp)“ die Potenziale von Polyhydroxyalkanoat (PHA) als biologisch abbaubarem Kunststoff. Durch Fermentation aus Biomüll gewonnen, bietet PHA hervorragende Barriereeigenschaften gegen Wasser und Sauerstoff und könnte eine nachhaltige Alternative zu Polyethylen und Polypropylen darstellen.

Dr. Markus Schneider von Teijin Carbon Europe stellte in „Tenax Carbon Fibers deliver Sustainability“ nachhaltige Ansätze für die Produktion und Nutzung von Kohlenstofffasern (CF) vor. Er hob die Vorteile von CFK in der Luftfahrt und Windkraft hervor und betonte die Bedeutung recycelter Kohlenstofffasern sowie eine Null-Abfall-Strategie, welche Teijin verfolgt. Das Unternehmen möchte bis 2023 CO₂-neutral werden durch den Einsatz erneuerbarer Energien und optimierter Materialströme.

Abschließend beleuchtete Dr. Markus Steeg von der Automation Steeg und Hoffmeyer GmbH im Vortrag „Technologien zur nachhaltigen FKV-Produktion“ energieeffiziente Fertigungstechnologien. Leichtbau, miniaturisierte Komponenten und intelligente Steuerungssysteme reduzieren den Energiebedarf in der Produktion signifikant. Zudem eröffnet die Integration erneuerbarer Energien neue Möglichkeiten zur nachhaltigen Optimierung von Maschinenstrukturen. Diese Beiträge unterstreichen die Bedeutung ökoeffizienter Produktionsmethoden für die Zukunft der Leichtbauindustrie.

oben: Dr. Barbara Güttler vom IVW

rechts: Mit rund 40 Teilnehmenden bot die Veranstaltung eine Plattform für Vorträge, Diskussionen, Networking und praktische Einblicke in die Arbeit des IVW durch eine Werksführung.

(Bilder: IVW)

Anwendungen im nachhaltigen Leichtbau

Am zweiten Tag des CU Innovation Days eröffnete Prof. Thomas Neumeyer die dritte Session unter dem Titel „Anwendungen im nachhaltigen Leichtbau“.

Holz als nachhaltiges Material bietet dank seiner natürlichen Eigenschaften und biotechnologischer Modifikationen großes Potenzial für Verbundwerkstoffe. Dr. Emanuel Akpan vom Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe zeigte in „Hochleistungsverbundwerkstoffe aus Holzfasern“, wie durch innovative Verfahren wie In-situ-Lignin-Engineering leistungsstarke, bindemittelfreie Materialien entwickelt werden können, die Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung fördern.

In „Ökologische Nachhaltigkeitsbewertung von Composites-Bauteilen“ erläuterte M. Sc. Ulrike Kirschnick von der Montanuniversität Leoben die Bedeutung der Lebenszyklusanalyse (LCA) bei der Bewertung von Verbundwerkstoffen. Mechanisches Recycling ermöglicht die Wiederverwendung von Glasfaseranteilen (rGF), was Umweltauswirkungen reduziert. Dabei erfordert die Wahl geeigneter Rezyklate sorgfältige Abwägung zwischen technischen Anforderungen und ökologischen Vorteilen.

Closed-Loop-Recycling von Produktionsverschnitten ermöglicht sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile. Sabine Hummel und Theresa Pscherer von der TH Rosenheim zeigten in ihrem Vortrag, wie mechanisch recycelte Organoblech-Verschnitte in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden können. Die Ergebnisse belegen, dass recycelte Materialien die technischen Anforderungen erfüllen und zugleich die Umweltbelastung senken.

Abschließend stellte Fabian Groh von Audi das Projekt „ECo2Floor – Fahrzeugunterböden aus Naturfasern und recyceltem Polypropylen“ vor. Der innovative Materialmix senkte den CO₂-Fußabdruck künftiger Elektrofahrzeuge erheblich und bestand alle Tests zur Serienreife. Mit einer CO₂-Reduktion von 40 % im Fahrzeugunterboden demonstriert das Projekt eine gelungene Verbindung von Nachhaltigkeit und technischen Anforderungen.

Laborbesuch am IVW: Zukunftstechnologien im Fokus

Im Rahmen des Laborbesuchs am IVW erhielten die Teilnehmenden Einblicke in die Labore und Technika am IVW, aufgeteilt in die Bereiche Werkstoffanalytik, Bauteilprüfung und Verarbeitungstechnik. In der Werkstoffanalytik wurden werkstoffanalytische Methoden aus dem EU-Projekt Waste2BioComp vorgestellt, mit Schwerpunkt auf der Untersuchung von Polyhydroxyalkanoaten (PHA) in Bezug auf Kristallinität und thermische Stabilität. Im Bereich der Bauteilprüfung beeindruckten Anlagen für Crash-Versuche, gekoppelte Zug-Druck-Torsionsprüfungen sowie Hochgeschwindigkeits- und Ermüdungsuntersuchungen, die auch unter temperierten Bedingungen durchgeführt werden können. In der Verarbeitungstechnik lag der Fokus auf der digitalisierten Herstellung von CF-SMC, bei der die Faserorientierung geschnittener Rovings mittels Polarisationskamera analysiert wird. Ergänzend wurden innovative Verfahren der Wickel- und Tapelegetechnik sowie eine Umformanlage mit 2600 Tonnen Schließkraft und Spritzgießaggregat präsentiert, die hybride Leichtbauprozesse im industriellen Maßstab ermöglichen.

Im Rahmen des Laborbesuchs am IVW erhielten die Teilnehmenden Einblicke in die Labore und Technika am IVW.

(Bilder: IVW)

Fazit

Der Innovation Day bot über zwei Tage hinweg eine Plattform für Wissenstransfer, Diskussionen und Networking rund um nachhaltige Materialien und Prozesse im Leichtbau. In den Paneldiskussionen standen Materialverfügbarkeit, Substituierbarkeit und Kreislaufwirtschaft im Fokus. Es wurde betont, dass Naturfasern wie Flachs und Holz noch ungenutzte Potenziale bieten, während die globalen Märkte und Qualitätsstandards systematisch betrachtet werden müssen. Die Bedeutung geeigneter Materialströme für offene und geschlossene Recyclingkreisläufe wurde ebenfalls hervorgehoben. Herausforderungen wie die Bereitstellung von recycelten Anteilen aus spezifischen Abfallströmen und die uneinheitliche Datengrundlage für Lebenszyklusanalysen (LCA) wurden kritisch diskutiert.

Ein weiteres Thema war die Rolle von Kunststoffen im Gesamt-LCA von Fahrzeugen, die im Vergleich zu Metallen und Batterien gering ausfällt, jedoch durch regulatorische Vorgaben und steigende Kosten an Bedeutung gewinnt. Die Diskussion zeigte die Notwendigkeit engerer Zusammenarbeit zwischen Industrie, Forschung und Gesetzgebern auf.

Das Abendevent im Brauhaus bot Gelegenheit für vertiefende Gespräche und Networking in informeller Atmosphäre. Bei der Verabschiedung dankte Prof. Thomas Neumeyer den Referierenden, Teilnehmenden und dem IVW-Organisationsteam und wünschte einen erfolgreichen Ausklang der Veranstaltung. Dr. Elmar Witten (AVK) unterstrich die Relevanz der behandelten Themen und kündigte deren Vertiefung in zukünftigen Veranstaltungen mit dem Composites United an, darunter die Sitzung des AVK-Arbeitskreises „Naturfaserverstärkte Kunststoffe“ im Mai 2025 mit dem Schwerpunkt „Standardisierung“.

Ansprechpartner: Dr. Heinz Kolz

Netzwerkgeschäftsführer CU West
E-Mail: heinz.kolz@composites-united.com
Tel.: 0175 2141051