Das Orthopädietechnik-Handwerk entwickelt deutschlandweit mit etwa 2.400 Betrieben Orthesen und Prothesen für seine KundInnen. Verbundwerkstoffe sind dabei in vielen Anwendungen ein wichtiger Innovationstreiber. Der Composites United e. V., das Netzwerk für Hochleistungsverbundwerkstoffe, möchte den Einsatz von faserverstärkten Kunststoffen in der Orthopädietechnik sowie die Vernetzung von Entwicklung und Anwendung fördern und hat daher die neue Arbeitsgruppe „Composites in der Orthopädietechnik“ ins Leben gerufen.

Die Arbeitsgruppe (AG) startete am 15. September 2022 mit einem von CU West und CU Nord unterstützten virtuellen Innovation Day, an welchem rund 60 CU-Mitglieder und AnwenderInnen aus der Orthopädietechnik teilnahmen. Ziel der Veranstaltung war der Erfahrungsaustausch und die offene fachliche Diskussion um Innovationsprozesse in der Orthopädietechnik anzuregen. Die Referierenden gaben im Laufe des Vormittags Einblicke in die aktuelle Arbeit von Forschungsinstituten und stellten Anwendungsfelder von Faserverbundwerkstoffen in der Orthopädietechnik vor.

So berichtete Dr. Markus Kaltwasser von der Transferinitiative Rheinland-Pfalz über den Projektbereich „Personalisierte Medizin“. Der Schwerpunkt liegt auf therapeutischen, diagnostischen und medizintechnischen Entwicklungen und Innovationen, die patientenindividuelle Behandlungsansätze in den Vordergrund rücken. Durch die an Fahrt aufnehmende Digitalisierung rückt auch die Medizintechnik u. a. durch die Entwicklung zahlreicher digitaler Apps und durch neue Technologien wie z. B. die additive Fertigung patientenspezifischer Prothesen oder die Anwendung künstlicher Intelligenz immer Stärker in das Zentrum der Entwicklungen in der personalisierten Medizin.

Die aktuellen Entwicklungsarbeiten zur Fertigung von extrem steifen und belastungsgerechten Leichtbauteilen für die Orthopädie- und Rehatechnik mittels Tailor Fiber Placement- Verfahrens (TFP) stellte Prof. Dr.-Ing. Axel Spickenheuer vom Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V. vor. Für Anwendungen wie „Fußhebeorthesen mit Rückstellfederelement“ und „Patientenorientiertes Korsett für Wirbelsäulendeformationen“ werden dabei Multi-Matrix-Verbundwerkstoffe verwendet.

Bei der OMOD Europe GmbH kommt das TFP-Verfahren schon bei der Serienproduktion für bspw. Knöchelgelenksorthesen zum Einsatz. Ole Petersen berichtete, wie er mit seinem Unternehmen Handwerksbetriebe der Orthopädietechnik über die Produktion von Prefomen bei der Herstellung von dynamischen und wirtschaftlichen Orthesen unterstützt.

Björn Strehl und Eike Stelling von der Strehl GmbH & Co. KG stellten Möglichkeiten für den Einsatz von CFK-Recycling-Materialien in der Rehatechnik vor. Die Firma Strehl ist auf Rehabilitationstechnik für Kinder und Jugendliche spezialisiert und fertigt u. a. Orthesen, Prothesen und Rollstuhlsitze. Für die Herstellung verwendet Strehl seit 2015 dafür auch CFK-Verschnittreste von Airbus.

Im Projekt EMSAK widmet sich Carolin Sprenger von der Hochschule Augsburg der Entwicklung eines Exoskeletts mit einem mechanischen Energiespeichersystem für das Kniegelenk. Mit diesem preisgünstigen Exoskelett könnten eine große Zahl an PatientInnen vom Rollstuhl befreit werden. Ein wichtiger Designaspekt ist dabei auch die Weiternutzung durch andere PatientInnen.

In der Schlussdiskussion wurden eine Reihe technologischer Themen der Orthopädietechnik angesprochen und diskutiert, aus denen sich weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf ergibt. Die beiden AG-Leiter Janna Krummenacker (Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH) und Ole Petersen (OMOD Europe GmbH) wollen Mitte des kommenden Jahres zur nächsten AG Sitzung einladen. Nach Rückmeldung der Teilnehmenden könnten dann Nachhaltigkeit, 3D-Druck und Prozessdigitalisierung Themen der AG Sitzung sein.

Individuelle Preformen für Orthesen (links) und Orthese (rechts) (Bild: Omod GmbH)